Kirche in Kartzow

 

Wer heute an Kartzow, dem 110-Seelen-Dorf, auf der anlässlich der Olympiade von 1936 erbauten Umgehungsstraße vorbeifährt, verpasst nicht nur ländliche Stille und Abgeschiedenheit, sondern auch den Anblick der erst 1995 fertig restaurierten Kirche, die auf dem aufgelassenen Friedhof in einer idyllischen Wiesenlage mit Fernblick steht.

Das vier Fensterachsen lange Kirchenschiff mit polygonal geschlossener Apsis und dreistöckigem Westturm ist ein Ziegelbau, der an den Rücklagen der Fenster mit Feldsteinen verblendet wurde. Ansonsten gliedert rotes Backsteinmauerwerk den neogotischen Bau, der nach einem verheerenden Brand in Kartzow entstand. Auf einer der drei Glocken im Turm hat sich der damalige Architekt Theodor Prüfer aus Berlin verewigt. An gleicher Stelle gab es jedoch vor dem Brand bereits einen mittelalterlichen Vorgängerbau, dessen Fundamente man beim Neubau benutzte, über den man ansonsten jedoch nur Vermutungen anstellen kann.

Kartzow selbst wird 1357 erstmals durch schriftliche Zeugnisse seines Pfarrers erwähnt, doch wahrscheinlich gab es schon 200 Jahre zuvor deutsche Siedler hier - und damit auch eine Kirche. Von dem heute auf dem Kirchhof stehenden, denkmalgeschützten Sühnekreuz aus Granit - eines der ältesten in der Mark Brandenburg - vermutet Dieter Mehlhardt, dass es sich bereits um einen Opferstein der vorher hier ansässigen Slawen handelt.


Daraus könnte man schließen, dass an der etwas erhöhten Stelle, an der sich heute die Kirche befindet, eine slawische Kultstätte bestand.


Das Innere des Gotteshauses überrascht durch seine relative Größe - bedenkt man die Einwohnerzahl Kartzows. Nach der letzten Restaurierung unter Verantwortung des damaligen Pfarrers Herwig Schworm, der übrigens seit 1985 alle drei Kirchen seines Sprengels mit viel Engagement und Fantasie baulich in Ordnung bringen ließ, erhielt der Innenraum wieder deutliche Symbole des himmlischen Jerusalem:


Die großen aufgemalten Wandquader erinnern an die Klagemauer, laden auch hier ein zum Gebet. Der Wandabschluss wird aus einem Zinnenkranz und darunterliegender Perlenkette gebildet. Die Bänderung der hölzernen, im Querschnitt trapezförmigen Decke trägt Rosetten, die im Kern ein Kreuz zeigen. Die Faschen der spitzbogig geschlossenen Fenster zieren Weinlaubranken, Symbol für die Gemeinde Gottes, für Frieden und Erlösung, aber auch für die Wandlung des Wassers der Erde in den Wein des Geistes, d.h. das Blut Christi. Jesu Opfertod als Zeichen der Liebe Gottes zu den Menschen drückt auch der Pelikan aus, der sich die Brust öffnet, um mit dem Blut seine toten Jungen zu erwecken. Auch die Henne, die ihre Küken unter die Fittiche nimmt, verdeutlicht die christliche Liebe (Matth.23,37).


 Taufe und Kanzel beziehen sich auf den Altar, der den Gemeindesaal von der Apsis trennt. Letztere ist auch farblich durch ein tiefes Braunrot vom übrigen Raum unterschieden. Hier haben sich nicht nur Reste der mittlerweile restaurierten Faschenmalerei erhalten, sondern auch einige der bunten Glasfenster aus dem 19. Jahrhundert.

Um 1886 datiert auch die Orgel der Firma Gesell (Gesell war Lehrmeister des Potsdamer Orgelbauers Schuke), die Dorothea Thiel, unsere Organistin, vor allen anderen in unseren Gemeindehäusern liebt. Sie sei wie ein selbstgenähter Schuh, schwärmt sie. Die ältesten Ausstattungsstücke der Kartzower Kirche sind ein Abendmahlskelch von 1581 und das etwa gleichalte Altarbild mit der Kreuzigungsszene, das heute die Südwand schmückt. Beide Kunstwerke, unsigniert, wurden beim Brand gerettet. Wer die Kirche betritt, spürt Ruhe und Geborgenheit: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ (Matth. 11, 28) - dieser Spruch steht über dem Altar und lädt auch Sie ein! SiK