Pogromgedenken

Es wird nicht leichter, aber immer wichtiger

 

 

Ein Pogromgedenken im Jahr 2021 zu planen ist nicht nur wegen der Pandemie eine besondere Herausforderung. Mit jedem Jahr, das vergeht, müssen wir neu darüber nachdenken, wie ein Pogromgedenken in Zukunft aussehen kann. Denn wir erleben einen schwerwiegenden Umbruch. In der Vergangenheit gab es immer wieder die Gelegenheit Zeitzeug*innen einzuladen, die von den grauenvollen Novembernächten des Jahres 1938 aus eigener Erfahrung berichten konnten. Nichts kann das direkte Erleben von Zeitzeug*innen auf einer Gedenkveranstaltung ersetzen. Meine ersten Begegnungen, die ich schon als Kind mit Zeit*zeuginnen hatte, werde ich nie vergessen.

 

Doch selbst jene, die am 9. November 1938 kleine Kinder waren, werden leider immer weniger. Aus meiner Sicht haben wir nachfolgenden Generationen es zu sehr versäumt, bewusst mit den Menschen in Kontakt zu treten, die die Zeit des Nationalsozialismus nicht aus den Geschichtsbüchern, sondern der eigenen Lebenszeit kennen. Ich denke vor allem zuerst an die Opfer, aber auch die vielen Täter*innen und scheinbaren Normalos, die die Maschinerie des Grauens erst recht angetrieben haben. Wo war das Verantwortungsbewusstsein, der Einsatz für Versöhnung, wo waren die unbequemen Fragen in der eigenen Familie in den letzten Zeiten?

 

Wir späteren Generationen sind nun gefragt neue Ideen zu entwickeln, wie es gelingen kann, dass gerade das Pogromgedenken nicht verloren geht. Ein gründlicher Geschichtsunterricht ist wichtig. Ein lebendiges Gedenken hat aber nicht nur die dringend nötige Aufklärung über die damaligen Ereignisse und Zusammenhänge zum Gegenstand, es macht Erinnern auch nachfühlbar.

 

Erinnerungskultur ist nichts worauf man stolz sein sollte und es reicht auch nicht aus zu besonderen Jahrestagen Kränze niederzulegen. Unsere Verantwortung ist es, das, was wir gelernt, erlebt und verstanden haben, einfühlsam an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Unsere Vorbereitungs-AG hat deshalb auch klar festgelegt: Die Jugendlichen aus unserer Gemeinde sollen nicht nur zu diesem wichtigen Abend am 9.11. eingeladen werden. Sie sollen unbedingt ein aktiver Teil der Veranstaltung sein. Sie sollen einbezogen werden in das Nachdenken über die Geschehnisse in der Reichspogromnacht und selbst anderen davon erzählen. Zusammen mit unserem Gastredner Dr. Andreas Goetze (Berliner Missionswerk) und weiteren Beteiligten haben wir bewusst einen intergenerationellen Abend geplant.

 

Eine Chance für eine weitere lebendige Gestaltung der Pogromgedenken der Zukunft ist die Auseinandersetzung mit der lokalen Geschichte. Die vielen Stolpersteine im Bereich der Landeskirche sind ein guter Ausgangspunkt. Besonders engagierte Menschen forschen seit vielen Jahren nach den Biografien jüdischer Familien in unserer Gegend. Ihre Geschichten für die Zukunft zu bewahren wäre ein großes Ziel und sehr hilfreich für die Gedenkarbeit. Eine noch stärkere Vernetzung ist hier genauso nötig, wie der Anschluss von vielen weiteren aktiven Mitstreiter*innen, denen das Thema am Herzen liegt.

 

 

Es wird nicht leichter, aber immer wichtiger alles für das große NIE WIEDER zu geben.

 

 

Pfarrer Jakob Falk – für die AG Pogromgedenken des Pfarrsprengels Fahrland